Innovationskraft, unternehmerischer Weitblick und zukunftsweisende Technologie: am 29. September 1969 nahm das Oxygenstahlwerk Duisburg-Bruckhausen seinen Betrieb auf und markierte als eines der größten und modernsten Stahlwerke der Welt einen Meilenstein der modernen Stahlproduktion. Dort, wo Firmengründer August Thyssen 1891 das erste Siemens-Martin-Stahlwerk und wenig später das erste Thomas-Stahlwerk errichten ließ, läuft es bis heute. Seit dem ersten Befüllen des Konverters verließen fast 190 Millionen Tonnen Stahl das Werk. Eine Menge, die für rund 21.000 Eiffeltürme reichen würde.

Garant für Qualität, Volumen und Wirtschaftlichkeit

Hochwertige Stähle in großen Mengen wirtschaftlich produzieren – diesen Anspruch setzte das Oxygenstahlwerk Bruckhausen in die Tat um: Dank innovativer Technologie ließ sich mit zwei Sauerstoffaufblas-Konvertern Stahl von hervorragender Qualität bei gleichzeitig hoher Produktivität und Wirtschaftlichkeit erzeugen. „Mit dieser Investition haben unsere Vorgänger Weitblick gezeigt und schon vor 50 Jahren in den Stahl von heute investiert“, sagt Thorsten Brand, Leiter des Bereichs Rohstahl bei thyssenkrupp Steel. „Das Stahlwerk Bruckhausen galt von Anfang an als eines der modernsten der Welt. Es stand damals und steht heute für fortwährende Anpassung an verbesserte Stahlqualität und wechselnde Anforderungen unserer Kunden.“ Bruckhausen brach Rekorde: Die Oxygen-Konverter produzierten im 40-Minutentakt rund 380 Tonnen Rohstahl – die höchsten Werte, die bis dahin je erzielt werden konnten.

Kontinuierliche Modernisierung steigert Sicherheit und Energieeffizienz

Damit es auch nach 1969 zu den modernsten seiner Art zählte, wurde das Stahlwerk Bruckhausen regelmäßig mit gezielten Investitionen auf den neusten Stand der Technik gebracht. 1979 wurde es um eine Stranggießanlage erweitert, die 1996 modernisiert wurde. 1999 gingen die Gießwalzanlage, der Pfannenofen und die neue Roheisen-Entschwefelung in Betrieb – Investitionen von umgerechnet ca. 450 Millionen Euro. Das Herz der Stahlherstellung, die beiden seit 1969 eingesetzten Konverter, wurde 2013 und 2014 erneuert. „Das hat den Blasprozess noch stabiler gemacht“, erklärt Thorsten Brand. „Durch engste Analysespannen steigern wir die Qualität unserer Produkte immer weiter, wovon letztlich unsere Kunden profitieren.“

Unternehmerischer Weitblick

Ausgeprägt war und ist beim Duisburger Stahlhersteller auch das Gespür für globale Megatrends. So erkannte man frühzeitig das Potenzial von Digitalisierung und Automatisierung. Bereits seit Mitte der 1980er Jahre werden die Prozesse mit Computertechnologie gesteuert. Die Produktqualität machte so einen entscheidenden Sprung nach vorn. Auch das Thema Nachhaltigkeit stand früh im Fokus. Bereits bei der Inbetriebnahme setzte man auf eine damals neue Technik zur Staubvermeidung. Zudem wurden die im Produktionsprozess anfallenden Schlacken früh als Düngemittel in der Landwirtschaft oder als Füllstoffe für den Straßenbau genutzt. Die Prozessgase aus den Konvertern werden sinnvoll weiterverwendet: ein Teil dient der Dampferzeugung, ein anderer Teil gelangt zur Stromerzeugung in die unternehmenseigenen Kraftwerke.

Schmelzer in Bruckhausen: vom Schwerstarbeiter zum Prozessmanager

Digitalisierung und Automatisierung verbesserten nicht zuletzt auch die Arbeitsbedingungen im Werk. Bis in die 1980er Jahre hinein leisteten die Schmelzer dort körperliche Schwerstarbeit bei großer Hitze und Staubbelastung. Mit der Automatisierung verlagerten sich die Aufgaben hin zur EDV-gestützten Steuerung und Kontrolle der Produktionsprozesse. Das machte die Arbeit deutlich sicherer, verlangte von den Mitarbeitern aber auch ganz neue Fachkenntnisse und die Bereitschaft, mehr Verantwortung zu übernehmen. Kurz: Das Berufsbild des Schmelzers veränderte sich rasant. Entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich die heutige Ausbildung, die so gut wie nichts mehr mit der Schmelzerlehre vor 50 Jahren gemeinsam hat.

Wandlungsfähiges Stahlwerk: immer die passenden Produkte

Entscheidend für die erfolgreiche Entwicklung des Standortes war auch die kompromisslose Anpassung der Produktion an sich wandelnde Markt- und Kundenbedingungen. Produktinnovationen und neue Technologien prägten die Abnehmerbranchen, entsprechend veränderten sich die Anforderungen der Kunden an den Stahl: Neue Produkte und Produktionsprozesse erforderten – und ermöglichten – differenziertere Stahlgüten in zuverlässiger, gleichbleibender Qualität. So wurde die Produktion in Bruckhausen immer weiter ausdifferenziert und maßgeschneiderte Produkte entwickelt. Heute produziert das Oxygenstahlwerk rund 400 verschiedene Stahlgüten. Den Schwerpunkt bilden Weißbleche für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie (etwa für Getränkedosen und Lebensmittelkonserven) sowie Hightech-Stähle für die Automobilindustrie, die als Strukturbauteile das Leben der Insassen schützen oder für hochwertige Oberflächen sorgen. Auch das Vormaterial für Elektroband, einen Basiswerkstoff für E-Mobilität und erneuerbare Energien, wird dort erzeugt. Damit ist das Stahlwerk Bruckhausen auch 50 Jahre nach seiner Inbetriebnahme mit seinen 475 Mitarbeitern zentraler Bestandteil der Stahlproduktion bei thyssenkrupp.

Daten und Fakten
Inbetriebnahme: 29.09.1969
Bauzeit: 18 Monate
Mitarbeiter*: 475
Kapazität*: 5,2 Mio. Tonnen/Jahr
Mittlere Chargengröße*: 375 Tonnen
Ausstattung*: 2 Konverter, 2 Argonspülanlagen zur sekundärmetallurgischen Behandlung,
1 RH-Vakuumanlage, 1 Pfannenofen, 1 CAS-OB (LTS-Anlage), 1 Stranggießanlage, 1
Gießwalzanlage (GWA)
* Stand: September 2019

Gut zu wissen: So wird Roheisen zu Stahl

Das Roheisen für das Oxygenstahlwerk Duisburg-Bruckhausen liefern die Hochöfen in Hamborn und Schwelgern. Das dort abgestochene Roheisen wird mit sogenannten Chargierpfannen an die Konverter im Oxygenstahlwerk gebracht. Roheisen enthält noch unerwünschte Begleitelemente wie Silizium, Schwefel und Phosphor. Der Schwefel wird dem Roheisen in einem vorgeschalteten Prozess entzogen. Im Konverter werden dann durch Aufblasen von Sauerstoff über eine wassergekühlte Lanze die anderen unerwünschten Begleitstoffe entfernt. Stahlschrott zur Kühlung und Roheisen werden so bei Temperaturen von mehr als 2.500 Grad Celsius „gefrischt“. Innerhalb von rund 20 Minuten entsteht aus
Eisen Stahl, der schließlich immer noch 1.650 bis 1.720 Grad heiß ist. Dieser Rohstahl wird entweder auf einer Stranggießanlage zu Stahlplatten („Brammen“) oder auf einer Gießwalzanlage zu sogenanntem Warmband weiterverarbeitet, das später beispielsweise in der Automobilindustrie eingesetzt wird.

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