Einer adäquaten Ernährung kommt in jeder Lebensphase eine außerordentlich große Bedeutung zu. Dies gilt vom Kindesalter an bis hin zum hohen Lebensalter. Störungen der Ernährung können langfristig Wegbereiter vieler einschränkender und belastender Erkrankungen sein.

Prävention, Diagnostik und Behandlung von Ernährungsstörungen zählen zu den zentralen ärztlichen Aufgaben. Allerdings stoßen Ärzte hier bald an ihre Grenze. Ärztliches Handeln allein reicht nicht, um langfristig ernährungsassoziierte medizinische Probleme zu verhindern und zu bekämpfen. Gesellschaftliche und politische Unterstützung sind erforderlich.

Chancen und Grenzen ärztlichen Handelns

Die Ursachen der Adipositas sind komplex; die Varianz des Body Mass Index (BMI; kg/m²) wird auch durch genetische Faktoren bestimmt. Somit spielen genetische Faktoren auch eine Rolle bei der Entstehung einer Adipositas.
Die epidemische Zunahme der Adipositasprävalenz ist auf eine Veränderung der Umweltbedingungen zurückzuführen, die einerseits den Zugang zu energiedichten und preiswerten Nahrungsmitteln erleichtern, andererseits körperliche Aktivität erschweren (z.B. durch Zeit am Bildschirm und geringe Bewegungserfordernis im städtischen Alltag). Kinder und Jugendliche sind besonders von diesen Umweltveränderungen betroffen.

Die Studienlage ist eindeutig: Konventionelle Gewichtsreduktionsprogramme sind kurz- und mittelfristig wirksam, die erzielten Gewichtsabnahmen fallen jedoch insgesamt moderat aus. Ob sie dauerhaft die Gewichtsentwicklung bei einem Kind oder Jugendlichen zu beeinflussen mögen, ist fraglich.

Bei extremer Adipositas zeitigt die operative Behandlung der Adipositas sehr gute Erfolge; allerdings gehen die entsprechenden Operationen auch in Einzelfällen mit Komplikationen und mit einer Letalität von ca. 0,5% einher. Für Kinder und Jugendliche muss die operative Behandlung einer extremen Adipositas als ultima ratio angesehen werden; entsprechende Kinder und Jugendliche müssen hierzu an ein geeignetes Adipositas-Zentrum angebunden sein.

Wichtig ist, Patienten mit Adipositas mit Empathie, Verständnis und Wertschätzung zu begegnen. Der Einzelne darf nicht stigmatisiert werden, wenn das Abnehmen nicht gelingt. Genetische Prädisposition in Verbindung mit vorgenannten Umweltbedingungen können nur schwer individuell beeinflusst werden.

Daher kommt es ärztlicherseits darauf an, zu Patienten und ggf. deren Eltern ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, damit ohne Scham und Schuldgefühle über die Adipositas gesprochen werden kann. So können Ärzte dafür sorgen, dass der Patient sich akzeptiert
fühlt und sich auch in Zukunft als „Risikopatient“ dem medizinischen Versorgungssystem anvertraut.

Die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern sind aufgerufen, Ärzte entsprechend fortzubilden.

Gesamtgesellschaftlich muss auf die Bedeutung der Verhältnisprävention zur erfolgreichen Eindämmung der Adipositasepidemie hingewiesen werden. Gerade bei der Adipositas gilt es, die Grenzen ärztlichen Handelns der Politik gegenüber aufzuzeigen. Die Adipositasepidemie kann nicht von Ärzten „wegtherapiert“ werden. Vielmehr gilt es, die Umweltbedingungen gesamtgesellschaftlich so zu verändern, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene seltener eine Adipositas mit entsprechenden Folgestörungen entwickeln.

Ernährung im hohen Lebensalter
Malnutrition im hohen Lebensalter begünstigt einen funktionellen Abbau und geht mit erhöhter Morbidität und Mortalität einher. Deshalb sind vermehrte Aufklärung und Bewusstmachung erforderlich, um auf die Gefahren von Malnutrition im hohen Lebensalter hinzuweisen.

Menschen in Alteneinrichtungen und alleinstehende Senioren sind besonders gefährdet. Hier ist zu prüfen, ob sich durch verbesserte Rahmenbedingungen die Nahrungszufuhr älterer Menschen steigern lässt. In Ernährungsfragen gut ausgebildetes Personal in ausreichender Zahl, ein Angebot kalorien- und eiweißreicher Nahrung sowie eine großzügige zeitliche Zurverfügungstellung von Nahrung können Abhilfe schaffen.

Hochkalorische und proteinreiche Ernährungsprodukte müssen bei Notwendigkeit zur Verfügung stehen und von Krankenkassen erstattet werden.

Zur Verhältnisprävention gehören aber auch gezielte strukturpolitische Maßnahmen, insbesondere in strukturschwachen Regionen. Einkaufsmöglichkeiten für gesunde Lebensmittel müssen dort auch für ältere Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen vorhanden sein.

51. Internationaler Seminarkongress Grado
Prof. Dr. med. Johannes Hebebrand; Priv. Doz. Dr. med. Rupert Püllen; Dr. med. Max Kaplan; Dr. med. Otmar Kloiber; Dr. med. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach; Dr. med. Ellen Lundershausen; Dr. med. Wolfgang Miller; San.-Rat Dr. med. Josef Mischo

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