Die Ponzi-Masche und Schneeballsysteme
Charles Ponzi gilt gemeinhin als Erfinder des Schneeballsystems. Der Legende nach hat er mit zwei Dollar seine Karriere begonnen und mit Geldanlagen, die er seinen Kunden vermittelte, ein Vermögen mit einem heutigen Geldwert von 150 Mio. Dollar angehäuft. Dass seine Kunden das Nachsehen hatten und bis heute noch auf eine Rückerstattung ihrer verlorenen Vermögenswerte warten, ist dabei nicht nur eine Randnotiz, sondern der einzige Sinn und Zweck des gesamten Unterfangens. In den USA ist dieser Anlagebetrug als „Ponzi scheme“ – auf Deutsch etwa „Ponzi-Masche“ – bekannt. Zwar unterscheidet sich das Original von den heutigen Schneeballsystemen; es gibt aber große Gemeinsamkeiten: Beide Systeme verbindet, dass die Gewinnausschüttung für die bestehenden Anleger aus der Anwerbung neuer Anleger gedeckt wird, da die Anlage tatsächlich nicht existiert. So muss die Zahl der Anleger in jedem Schritt exponentiell steigen. Passiert das nicht, kollabiert das System. Bei den heutigen Schneeballsystemen kommt hinzu, dass die Anleger die Quelle der Gewinnausschüttung kennen, da sie diese in der Regel selbst rekrutieren. Wundersame Geldvermehrungen mit esoterischem Brimborium sind auch als Schenk- oder Herzkreise bekannt.
Schenkkreise und Herzkreise: Sittenwidrig und illegal!
Egal, ob mit esoterischem Anstrich oder als Freundschaftskreis getarnt: Schenk- und Herzkreise versprechen nach wie vor größte Gewinnausschüttungen in kürzester Zeit. Und immer wieder fallen Gutgläubige und Glücksritter darauf rein. Darum wird diese Art des Schneeballsystems auch in immer neuen Varianten angeboten. Dabei steht eins fest: Die meisten Mitspieler, die in das Schneeballsystem investieren, werden am Ende ihr investiertes Geld nicht wiedersehen! Wer immer gewinnt, sind der Organisator oder die Organisatoren. Doch wer solche Schneeballsysteme initiiert oder aktiv unterstützt, macht sich strafbar, so ARAG Experten.
MLM: Die legale Variante
Multi-Level-Marketing (MLM) ist eine besondere Vertriebsform, die auch als Network-Marketing (NM) bezeichnet wird. Einsteiger investieren in ein Starterpaket. Das können je nach Branche die zu verkaufenden Produkte oder – im Falle von Dienstleistungen oder im Finanzbereich – Produkt- und Verkaufsschulungen sein. Neben dem Verkauf der Produkte werden die Kunden dann angeworben, die Produkte ihrerseits zu verkaufen. Stimmt der Kunde zu und erwirbt ebenfalls das Startpaket, hat der Anwerber einen Partner. Er verdient dann nicht nur durch seine eigenen Verkäufe, sondern auch durch die Verkäufe des Partners. Im Gegensatz zu Schneeballsystemen geht es hier also tatsächlich um den Vertrieb von werthaltigen Produkten oder Dienstleistungen. Deshalb ist MLM auch legal.
Der aktuelle Fall Dexcar
Schneeballsysteme wie beispielsweise Herz- oder Schenkkreise sind hingegen meist illegal. Es gibt aber in beiden Bereichen auch Grauzonen. Das zeigt beispielsweise der aktuelle Fall der Mietwagenfirma Dexcar. Die Staatsanwaltschaft vermutet hinter dem Geschäftsprinzip ein sittenwidriges Schneeballsystem. Denn wer nach zwei Jahren für 24 Monate einen kostenlosen Mietwagen inklusive Kfz-Steuer, Wartung, Versicherung und Reifenwechsel haben wollte, musste je nach Modell zunächst eine Gebühr zwischen 547 Euro und 1.950 Euro an das Unternehmen überweisen. Das Unternehmen lockt auch mit zusätzlichen Anreizen: Wer beispielsweise die zweijährige Wartezeit für den versprochenen Neuwagen verkürzen will, muss weitere Dexcar-Kunden werben. Zahlreiche Kunden von Dexcar warten allerdings auch zwei Jahre nach Vertragsschluss vergeblich auf ihren Wagen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind in vollem Gange.
Illegale Schneeballsysteme erkennen
Immer öfter werden Schneeballsysteme auch im Internet angeboten oder per E-Mail beworben. Die Angebote gehören meist zu den illegalen Schenkkreisen. Nach außen hin sollen diese natürlich seriös wirken. Die Initiatoren (und Nutznießer) werden daher oft verschleiert. Außerdem ist für Interessenten nicht zu erkennen, in welchem Stadium sich ein Schenkkreis gerade befindet: Sind die Chancen, noch zu den „Gewinnern“ zu gehören, überhaupt real? Oder gehört man als Teilnehmer nur zum Zahlvieh, das die Gewinne für die früheren Teilnehmer erbringen soll. Der Kollaps des Systems ist jedenfalls unausweichlich und einkalkuliert. Doch wie erkennt man illegale Machenschaften?
- Hohe Renditen in kurzer Zeit: Was zu schön klingt, um wahr zu sein, ist es auch nicht!
- Reich werden, ohne etwas dafür zu tun? Geld verdienen vom Sofa aus? Hier sollten Verbraucher hellhörig werden!
- Geniale Geschäftsideen, die sich kurz und bündig erklären lassen. Warum macht es dann nicht jeder?
- Teilnehmer sollen möglichst viele neue Teilnehmer anwerben. Geniale Anlagetipps würde man doch eher für sich behalten!
- Hohe Provisionen für die Initiatoren.
Die aktuelle Rechtsprechung
In den vergangenen Jahren haben deutsche Gerichte in mehreren Fällen Klagen gegen Schenkkreise stattgegeben, so dass übervorteilte Teilnehmer auf eine Rückerstattung hoffen können. In einem beispielhaften Fall ging es um einen Schenkkreis. Nach ein paar Runden fanden sich keine neuen Teilnehmer mehr, die einzahlen wollten. Die aktiven Mitglieder blieben ohne Gewinn auf ihrem gezahlten Einsatz sitzen. In diesem Fall waren es 2.500 Euro! Diese Summe musste der Veranstalter des Schenkkreises daher als ungerechtfertigte Bereicherung zurückzahlen (§ 817 BGB). Denn die Zahlung des Geldes war sittenwidrig und damit laut § 138 BGB nichtig. Zwar verstoßen auch die Teilnehmer solcher Schenkkreise gegen die guten Sitten. Darauf kann sich der Veranstalter jedoch laut Landgericht Oldenburg nicht berufen. Denn wäre das möglich, könnten Veranstalter solcher Systeme die sittenwidrig erlangten Gelder behalten und würden so geradezu zum Weitermachen eingeladen (Az.: 2 S 127/08).
Steuerpflicht!
Und noch eine Falle wartet auf Teilnehmer von Schenkkreis & Co. Denn Gewinne aus Schneeballsystemen sind steuerpflichtig. Das besondere Problem: Viele Teilnehmer investieren frühe Gewinne direkt wieder in das System. Das ist meist ein ganz böser Fehler, denn dann verlieren die Teilnehmer nicht nur das eingesetzte Kapital, auch das Finanzamt meldet sich. Auch Scheingewinne sind nämlich grundsätzlich steuerpflichtig. Das hat der Bundesfinanzhof 2014 entschieden (Az.: VIII R 25/12). Und wer die ausgewiesenen Renditen aus einem Schneeballsystem nicht dem Finanzamt meldet, muss im schlimmsten Fall mit einer strafrechtlichen Verfolgung wegen des Verdachts auf Steuerbetrug rechnen, so ARAG Experten.
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