Ziel des Dialogs, so die Teilnehmer, sei es eine herzliche Beziehung aufzubauen und ein besseres Verständnis der Überzeugungen, Mission und Identität des anderen zu fördern. „Unser Gespräch war freundlich und informativ. Es würdigte sowohl unser gemeinsames Erbe als auch eine Reihe offensichtlicher Unterschiede zwischen unseren beiden Gemeinschaften“, sagte Nikolaus Satelmajer, einer der Hauptorganisatoren des Dialogs seitens der Kirche der STA.
Die STAR mit dem Sitz ihrer Generalkonferenz in Roanoke, Virginia/USA, hat nach eigenen Angaben rund 42.000 Mitglieder in über 130 Ländern. Vertreter der STAR beleuchteten die gemeinsame Geschichte ihrer Gemeinschaft mit der Kirche der STA ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gründung der Generalkonferenz 1863 in Battle Creek, Michigan/USA. Reformadventisten bekennen sich ebenfalls zum prophetischen Dienst von Ellen G. White, der Mitbegründerin der Kirche der STA, die heute über 21 Millionen mündig getaufte Adventisten in mehr als 200 Ländern umfasst. Die Geschichte beider Gemeinschaften begann sich jedoch im Ersten Weltkrieg, zuerst in Deutschland wegen der Frage der Beteiligung von Kirchenmitgliedern am Kriegsdienst, zu verändern. Seitdem haben sich die beiden Konfessionen unabhängig voneinander entwickelt.
Während des Dialogs im Dezember 2018 hielten Vertreter beider Gemeinschaften Referate zu vier Themenbereichen, die von den Reformadventisten ausgewählt wurden: Abstinenz von Alkohol, Tabak und Drogen sowie gesunde Ernährung/Vegetarismus; das Verhältnis zwischen Kirche und Staat insbesondere die Teilnahme am Militärdienst; die Rechtfertigung des Menschen vor Gott durch den Glauben an Jesus Christus; Fragen im Zusammenhang mit Scheidung und Wiederverheiratung.
Trotz Unterschiede gemeinsame Werte und Überzeugungen
Ganoune Diop, Direktor für Öffentliche Angelegenheiten und Religionsfreiheit der Generalkonferenz der Kirche der STA, betonte, dass solche zwischenkirchlichen Gespräche einen wichtigen Zweck erfüllten. „Wenn wir uns von Angesicht zu Angesicht zusammensetzen, können wir unsere Überzeugungen und unsere Identität mit unseren eigenen Worten teilen und daran arbeiten, Missverständnisse oder Vorurteile auszuräumen. Auch wenn es klar definierte Bereiche mit Meinungsverschiedenheiten gibt, können wir dennoch unsere gemeinsamen Werte und Überzeugungen erkennen und eine reiche christliche Gemeinschaft mit der Möglichkeit zum gegenseitigen Lernen nutzen.“
Davi P. Silva, Präsident der Generalkonferenz der STAR, ergänzte: „Es war eine wertvolle Gelegenheit, sich gegenseitig kennenzulernen und offen und frei über Fragen von gemeinsamem Interesse zu sprechen sowie wichtige Unterschiede in Bezug auf unsere ewige Erlösung weiter zu erforschen.“
Zum Abschluss des Dialogs im Dezember 2018 beschlossen die Teilnehmer laut Adventist Review, sich im Frühjahr 2019 erneut zu treffen, obwohl die Gesprächsthemen noch nicht festgelegt seien. Die Gruppe hatte sich bereits zweimal informell getroffen, einmal im August 2017 am Sitz der Generalkonferenz der STAR in Roanoke, Virginia, und im April 2018 im Verwaltungsgebäude der Generalkonferenz der Kirche der STA in Maryland.
Gemeinsame Erklärung
Zur Begegnung im Dezember 2018 veröffentlichten die Teilnehmer eine gemeinsame kurze Erklärung. Darin bringen sie ihre Freude zum Ausdruck, „dass wir die Gelegenheit haben, uns im Geiste der christlichen Gemeinschaft und des gegenseitigen Respekts zu treffen und miteinander in Dialog zu treten. Unser gemeinsames Erbe und unsere vielen sich überschneidenden Bereiche von Lehre, Werten und Praxis haben es uns ermöglicht, schnell eine solide Grundlage für Verständnis und Verbundenheit zu schaffen.“ Als Sabbat feiernde Adventisten seien beide geistliche Verwandte, wobei jeder von ihnen die Heilighaltung des Sabbats schätze und mit Freude auf die baldige Rückkehr des Erlösers Jesus Christus warte. Es gebe jedoch auch Bereiche mit deutlichen Unterschieden im theologischen Verständnis und in der Gemeindepraxis, „die wir ehrlich und in aller Demut zum Ausdruck bringen“. Sinn der Treffen sei, „uns gegenseitig besser zu verstehen, einen offenen und herzlichen Freiraum für Gedankenaustausch und Gemeinschaft zu eröffnen und uns gegenseitig zu ermutigen, während wir alle versuchen, Jesus Christus und seine Erlösung mit anderen in einer von Gott entfernten Welt zu teilen“. Deshalb freuten sich die Teilnehmer ihre Gespräche im Frühjahr 2019 fortsetzen zu können.
Kriegsdienst mit der Waffe auch am Sabbat
Pastor Holger Teubert, bis Ende 2018 Leiter des Referats Kriegsdienstverweigerung und Frieden der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, erläutert zum Hintergrund der Gespräche in den USA, dass zu Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 von den 15.000 deutschen Adventisten etwa 3.000 Wehrpflichtige einberufen worden seien. Unmittelbar nach der allgemeinen Mobilmachung habe der Sekretär der mitteleuropäischen Leitung der Adventisten in Hamburg, Pastor Guy Dail, am 2. August 1914 ein Rundschreiben als Orientierungshilfe an alle örtlichen Adventgemeinden in Deutschland versandt. Darin hieß es unter anderem: „Soweit wir im Heer stehen oder ins Heer eintreten müssen, [sollten wir] unsere militärische Pflicht freudig und von Herzen erfüllen … Aus Josua 6 ersehen wir, dass die Kinder Gottes von den Kriegswaffen Gebrauch gemacht und auch am Sabbat den Kriegsdienst versehen haben.“ Ähnliche Erklärungen seien später auch von anderen adventistischen Leitern in Deutschland abgegeben worden.
Besonders die Bereitschaft, auch am Sabbat (Samstag) Militärdienst zu leisten, habe zu vielfältigen Protesten in den Gemeinden geführt. Hinzu seien Spekulationen über das Weltende und die Wiederkunft Jesu gekommen, so Teubert. Aus diesen Kritikern, die ihre Opposition teilweise damit begründeten, dass sie für den Frühsommer 1915 die Wiederkunft Jesu erwarteten, bildete sich im Laufe des Jahres eine feste Gruppe. Während einige Kritiker später wieder ihren Platz in den Adventgemeinden fanden, sammelte sich die Mehrheit der Widerständler in einer Gruppe, die sich selbst „Reformationsbewegung der Siebenten-Tags-Adventisten“ nannte und den Militärdienst schließlich grundsätzlich ablehnte.
Gescheiterte Versöhnungsversuche
Das Rundschreiben vom 2. August 1914 sei von der adventistischen Weltkirchenleitung (Generalkonferenz) mit Sitz in den USA kritisiert und mit ähnlichen Verlautbarungen von der deutschen Leitung bereits 1920 und nochmals 1923 mit „Bedauern“ zurückgezogen worden. Doch das schlug laut Teubert genauso fehl, wie Versöhnungsversuche von beiden Seiten nach dem Ersten Weltkrieg. Schließlich standen sich während der Weimarer Republik zwei adventistische Lager gegenüber: die traditionelle Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten und die Reformationsbewegung, die allerdings durch interne Auseinandersetzungen in verschiedene Gruppen zerfiel. Die meisten lösten sich noch vor Beginn der NS-Herrschaft auf. Die verbliebenen Gruppen kamen schon bald in das Visier der neuen Machthaber, da sie auch die Beteiligung an Wahlen ablehnten. 1936 löste die Gestapo die Reformationsbewegung auf. Für kleinere Gruppen kam das Verbot noch im gleichen Jahr, beziehungsweise 1937 und 1942.
Zwei Reformationsbewegungen
Die Reformationsbewegung erlebte 1951 eine weltweite Spaltung. Seitdem gibt es die „Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten Reformationsbewegung“ (STAR) mit ihrer Generalkonferenz in Roanoke, Virginia/USA. Zu ihr gehören rund 42.000 Mitglieder in über 130 Ländern. Die „Internationale Missionsgesellschaft der Siebenten-Tags-Adventisten Reformationsbewegung“ (IMG) hat ihre Weltkirchenleitung in Cedartown, Georgia/USA. Sie umfasst nach eigenen Angaben rund 34.000 Mitglieder in 135 Ländern. In Deutschland hat die STAR etwa 200 Mitglieder in sechs örtlichen Kirchengemeinden und die IMG circa 350 Mitglieder in 23 Gemeinden. Zum Vergleich: Zur Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten gehören in Deutschland knapp 35.000 Mitglieder mit 555 Kirchengemeinden. Sowohl die STAR wie auch die IMG betrachte sich als die einzige wahre und legitime Reformationsbewegung unter den Adventisten, so Teubert.
Eine andere Haltung zum Kriegsdienst
Die Reformationsbewegung habe nach dem Ersten Weltkrieg in wenigen Jahren in etlichen Ländern unter Adventisten Fuß fassen können, obwohl dort die adventistischen Leitungen eine ganz andere Haltung zum Kriegsdienst eingenommen hätten als im kaiserlichen Deutschland, informiert Pastor Teubert anhand folgender Beispiele: Da die USA erst 1917 in den Krieg eintraten, habe die adventistische Kirchenleitung in Nordamerika mit der Regierung Nichtkämpferdienste in der Armee für ihre wehrpflichtigen Mitglieder vereinbaren können. Die britische Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten empfahl im Ersten Weltkrieg ihren rund 130 wehrpflichtigen Mitgliedern, ebenfalls Nichtkämpferdienste zu leisten. Etwa 500 Adventisten seien zur russischen Armee einberufen worden. Die meisten seien Nichtkämpfer gewesen. Etwa 70 von ihnen seien wegen ihrer Weigerung, eine Waffe in die Hand zu nehmen, ins Gefängnis oder in Arbeitslager geschickt worden.
Dänemark, Norwegen und Schweden sowie die Niederlande waren während des Ersten Weltkriegs neutral. Die wenigen wehrpflichtigen Adventisten hätten Dienste ohne Waffe leisten können. Der einzige wehrpflichtige Adventist in Italien sei wegen Kriegsdienstverweigerung immer wieder misshandelt und schließlich zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Durch eine Amnestie sei er 1919 aus dem Gefängnis freigekommen. In Südafrika habe die adventistische Kirchenleitung ihren wehrpflichtigen Mitgliedern empfohlen, den Waffendienst in der Armee zu verweigern. In Australien hätten junge Adventisten Zivildienst beim Roten Kreuz geleistet oder in der Armee als waffenlose Sanitäter gedient. Dabei sei ihnen der dienstfreie Sabbat garantiert worden.
„Schuld und Versagen“
Obwohl die damals verantwortlichen Leiter der deutschen Adventisten ihre Erklärungen zum Kriegsdienst 1920 und 1923 als „fehlerhaft“ zurückgenommen hatten, befassten sich laut Teubert die Ausschüsse des Nord- und Süddeutschen Verbandes der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten im April 2014 erneut mit der Thematik. Sie beschlossen eine Stellungnahme zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren mit dem Titel „Schuld und Versagen“, welche in der Ausgabe Mai 2014 ihrer Kirchenzeitschrift „Adventisten heute“ veröffentlicht wurde. Darin heißt es unter anderem: „Heute erkennen und bekennen wir, dass unsere Väter in diesen Auseinandersetzungen oftmals nicht im Geist der Liebe und Versöhnung gemäß dem Vorbild Jesu gehandelt haben. Aus Sorge um den Bestand der Gemeinschaft wurden Ratschläge erteilt, die dem Wort Gottes widersprechen und zur Spaltung sowie zu tiefgreifenden Verletzungen führten.“ Die damalige adventistische Leitung sei ihrer Verantwortung gegenüber den Gemeinden nicht gerecht geworden. Sie habe Glaubensgeschwister, die ihrer Meinung widersprachen, zu Unrecht des „Abfalls“ vom wahren Glauben bezichtigt und in einzelnen Fällen sogar von staatlichen Behörden verfolgen lassen. „Auch wenn heute niemand der damals Beteiligten mehr am Leben ist, so bitten wir doch ihre Kinder und Nachkommen sowie die beiden existierenden Gruppen der Reformationsbewegung um Entschuldigung für unser Versagen. Wir haben aus unserer leid- und schmerzvollen Geschichte gelernt, dass Kinder Gottes berufen sind, Menschen des Friedens zu sein und jede Form von Gewaltanwendung gegenüber Unschuldigen abzulehnen.“
Die IMG bezeichnete die Erklärung der beiden deutschen Verbände der Freikirche der STA als „einen mutigen und edlen Schritt in Richtung eines Nichtkämpferstandpunktes“. Die formelle und öffentliche Bitte an die Reformationsbewegung um Entschuldigung, „wird mit aufrichtigem Dank und Danksagung an Gott angenommen“. Die Antwort der STAR zur Erklärung sei im Ton zurückhaltender gewesen als die der IMG, so Teubert. Aber auch die STAR schätze es, dass Gott die Vorsteher der deutschen Adventisten „beeinflusste, um diese Erklärung herauszugeben“.
„Mut zum Frieden“
Pastor Holger Teubert weist ferner darauf hin, dass die Freikirchenleitung der STA in Deutschland zum Ende des Ersten Weltkriegs eine weitere Stellungnahme herausgegeben habe. Sie wurde mit dem Titel „Mut zum Frieden“ in „Adventisten heute“, Februar 2018 veröffentlicht. Darin empfiehlt die Freikirchenleitung ihren Mitgliedern, sich weder direkt noch indirekt an einem Krieg zu beteiligen.
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