Manchmal eilt es, und dann drückt der Arzt schon mal das Gaspedal ganz durch. Was aber, wenn er auf dem Weg zum Patienten eine Radarfalle auslöst?

Eine große deutsche Boulevardzeitung titelte im Frühsommer dieses Jahres: „Bei Noteinsatz geblitzt! Arzt will Praxis wegen Knöllchen schließen!“. Der Hausarzt aus Görlitz war auf dem Weg zu einem Notfalleinsatz mit über 80 Stundenkilometern in einer 30erZone geblitzt worden. Die Folge: zwei Punkte, ein Bußgeld und zwei Monate Fahrverbot. „Für den betroffenen Arzt war das Fahrverbot deshalb existenzgefährdend, weil er mehr als 60 Kilometer entfernt von seiner Praxis wohnte“, sagt Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München. Wie gut aber sind die Chancen, gegen eine solche Strafe vorzugehen?

Überschreitet ein Arzt aufgrund eines Notstands beispielsweise die zulässige Höchstgeschwindigkeit, kann die Verletzung der Verkehrsvorschrift gerechtfertigt sein. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass er nur durch sein überhöhtes Tempo die erforderliche schnelle Hilfe leisten kann. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: Ein Arzt fährt zu schnell, weil er in eine Belegklinik zu einem Patienten gerufen wird, der möglicherweise sofort notoperiert werden muss. Dann ist die Geschwindigkeitsübertretung gerechtfertigt.

Wenn geprüft wird, ob ein Notstand vorliegt, der es erlaubt, sich rechtswidrig zu verhalten, sind immer die widerstreitenden Interessen – also die jeweils betroffenen Rechtsgüter – im Einzelfall abzuwägen. Im Fall des Görlitzer Arztes war die Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit gegenüber der dringenden Behandlungsbedürftigkeit eines akut erkrankten Patienten abzuwägen. Je schwerer die Erkrankung und je geringer die Regelüberschreitung, desto eher wird ein Gericht von einem Notstand ausgehen.

Geschwindigkeit der Verkehrssituation anpassen

Aber auch wenn die Rechtsgüterabwägung zugunsten des Arztes ausgeht, bleibt die Geschwindigkeitsüberschreitung dann unzulässig, wenn der Arzt auf der Fahrt andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder wenn seine Fahrweise eine solche Gefährdung befürchten lässt. Es kommt deshalb auch entscheidend darauf an, welche Gefahren mit der unzulässig hohen Geschwindigkeit im konkreten Fall verbunden sind und wie die Verkehrslage und Verkehrsdichte zur Tatzeit waren. „Ist zudem der Zeitgewinn durch die zu schnelle Fahrweise gering und ist die Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer durch die Geschwindigkeit hoch, dann muss der Arzt ebenfalls das Tempolimit beachten“, sagt Müller.

Praxistipp

Auch wenn die Güterabwägung nicht zu einer Notstandslage führt, lohnt sich die Diskussion mit der Behörde. Oft kann auf ein Fahrverbot verzichtet werden, wenn der Arzt die konkrete Konfliktsituation, in der er sich befunden hat, glaubhaft darstellt

Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München

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