Ein Käufer von nach § 3 AusglLeistG verbilligt erworbenen landwirtschaftlichen Flächen in Mecklenburg-Vorpommern hat sich gegen die mit der BVVG vereinbarten „Windradklauseln“ gewandt – mit Erfolg, wie der Bundesgerichtshof (BGH) nun im Revisionsverfahren entschieden hat (BGH Urteil vom 14.09.2018, Az. V ZR 12/17). Bisher liegt hierzu lediglich die auf der Webseite des BGH veröffentlichte Pressemitteilung vom 14.09.2018 vor – diese enthält jedoch erfreulich eindeutige Aussagen. Die Auswirkungen der Entscheidung sind enorm.

1. Sachverhalt

Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 26.08.2005 von der BVVG insgesamt 71,01 ha landwirtschaftliche Fläche vergünstigt nach § 3 Abs. 5 Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG). In dem Vertrag war geregelt, dass die Flächen während einer Bindungsfrist von 15 Jahren landwirtschaftlich genutzt werden müssen. Zudem enthielt der Vertrag die Vereinbarung, dass – falls während der Bindungsfrist kaufgegenständliche Flächen zur Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) etc. genutzt werden – die Zustimmung der BVVG erforderlich ist und dass der Grundstückseigentümer nur dann einen Anspruch auf Zustimmung hat, wenn er die BVVG vor Abschluss eines entsprechenden Vertrages informiert, sie in die Verhandlungen einbezieht und sich verpflichtet, an die BVVG einen Betrag i.H.v. 75% des auf die Gesamtnutzungsdauer der WEA kapitalisierten Entschädigungsbetrages zu zahlen und ihr die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die die BVVG zur Ermittlung dieses Betrages benötigt; die Zahlung wird einen Monat nach Abschluss des entsprechenden Grundstücksnutzungs-/Überlassungsvertrages fällig.

Darüber hinaus war in dem Vertrag geregelt, dass die BVVG von dem Vertrag zurücktreten kann, wenn wesentliche Teile der Gesamtfläche während der Bindungsfrist nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden und dass sie die Flächen zum Verkaufspreis zurückkaufen kann, wenn die Flächen vor Ablauf der Bindungsfrist für einen der in § 1 Abs. 2 S. 4-6 FlErwV genannten Zwecke nutzbar werden.

In der Folgezeit sollte auf den Flächen windenergetische Nutzung erfolgen, und zwar auf 0,9711 ha und damit 1,41 % der Gesamtfläche (Stand- und Abstandsflächen für WEA). Der Kläger forderte die BVVG auf zu erklären, dass sie wegen der Unwesentlichkeit dieses Flächenanteils keine Forderungen aus dem Kaufvertrag gegen ihn geltend machen werde, was die BVVG ablehnte.

Der Kläger erhob daraufhin Klage zum Landgericht Berlin, darauf gerichtet, dass festgestellt werde, dass er gegenüber der BVVG nicht verpflichtet sei, sie in den Abschluss des avisierten WEA-Grundstücksnutzungsvertrages einzubeziehen, ihr die relevanten Unterlagen zur Ermittlung des o.g. Entschädigungsbetrages zur Verfügung zu stellen und den Entschädigungsbetrag an die BVVG zu zahlen. Zur Begründung stützte sich die Klage darauf, dass die diesbezüglichen Regelungen in dem BVVG-Kaufvertrag unwirksam seien.

2. Die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 24.02.2015 (Az. 19 O 207/14)

Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Es hat sich der Rechtsauffassung des Klägers angeschlossen, wonach alle o.g. Regelungen in dem BVVG-Kaufvertrag, die Gegenstand der Feststellungsklage waren, nicht in der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) vorgesehen seien und damit der Klauselkontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterzogen werden können – mit dem Ergebnis, dass sie unwirksam seien, da sie der Inhaltskontrolle des § 307 BGB nicht standhalten.

Das Gericht führte aus, dass der Grundstückseigentümer in mehrfacher Hinsicht durch die streitgegenständlichen Vertragsregelungen unangemessen benachteiligt werde – und zwar dadurch, dass er die auf die gesamte WEA-Nutzungsvertragsdauer kapitalisierte Entschädigungszahlung nach Abschluss des WEA-Grundstücksnutzungsvertrages als Einmalbetrag an die BVVG zahlen müsse, wohingegen er selbst üblicherweise von dem WEA-Betreiber Entschädigungszahlungen jährlich verteilt auf einen Zeitraum zwischen 20 und 30 Jahren erhalte, und dass die BVVG hierdurch gleichzeitig Zahlungen erhalte, die die Grundstücksnutzung weit nach Ablauf der Bindungsfrist betreffen, obwohl der Grundstückseigentümer nach dem Willen des Gesetzgebers – eigentlich – nach Ablauf der Bindungsfrist frei über sein Grundstück verfügen können solle.

Die BVVG hat gegen dieses Urteil Berufung zum Kammergericht eingelegt. Der Kläger hat sich der Berufung angeschlossen und im Wege der Anschlussberufung seinerseits beantragt, das Kammergericht möge weitergehend feststellen, dass die BVVG wegen der – weiterhin beabsichtigten windenergetischen Nutzung der Teilfläche wie oben angegeben – weder zum Rücktritt von dem BVVG-Kaufvertrag noch zum Wiederkauf berechtigt sei.

3. Die Entscheidung des Kammergerichts vom 21.12.2016 (Az. 28 U 7/15)

Das Kammergericht hat die Berufung der BVVG zurückgewiesen und sich bezüglich der Begründung komplett der Rechtsansicht des Landgerichts angeschlossen:

Die Klausel im BVVG-Kaufvertrag zur Einbeziehung der BVVG in die Vertragsverhandlungen zwischen Grundstückseigentümer und WEA-Planer und zur Herausgabe der vertragsrelevanten Unterlagen bezeichnet das Gericht dabei als schweren Eingriff in die Privatautonomie der Verhandlungspartner, da die BVVG sich hierdurch als Dritter eine Vertragsgestaltungsmacht anmaße, die mit dem Grundgedanken der FlErwV – nämlich dass die BVVG bei Verstößen gegen die Zweckbindung der Flächen während der Bindungsfrist zum Rücktritt / zum Wiederkauf berechtigt sein soll – schlicht nicht in Einklang zu bringen sei.

Darauf aufbauend, bestätigt das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil auch bezüglich der Unwirksamkeit der Klausel zur Zahlung der Einmal-Entschädigung. In diesem Zusammenhang hebt das Gericht hervor, dass Grundgedanke des § 12 Abs. 3 FlErwV sei, dass eine Zustimmung der BVVG zu Verfügungen über das Grundstück generell zu erteilen ist, wenn die Zweckbindung nicht gefährdet wird; hiervon weiche die Vertragsregelung, die die Erteilung der Zustimmung von den o.g. zusätzlichen Bedingungen abhängig mache, wesentlich zum Nachteil des Grundstückseigentümers ab.

Zur Anschlussberufung des Klägers:

Diesbezüglich hat das Gericht antragsgemäß festgestellt, dass der BVVG kein Rücktrittsrecht zusteht, da die für die windenergetische Nutzung vorgesehene Teilfläche – wie ausgeführt weniger als 1,5 % der Gesamtfläche – nicht „wesentlich“ ist.

Bezüglich des Wiederkaufsrechts hat das Kammergericht hingegen die Anschlussberufung des Klägers, die auf die Feststellung des Nichtbestehens dieses Rechts gerichtet war, zurückgewiesen. Insoweit sei die Klausel wortgleich mit § 12 Abs. 4 FlErwV – die BVVG sei demnach zum Rückkauf zum Verkaufspreis berechtigt, sobald „die Errichtung der Windenergieanlagen auf diesen Flächen rechtlich möglich geworden ist“, wobei es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankomme, wie groß der für die WEA benötigte Flächenanteil sei. In diesem Zusammenhang hat das Gericht über den Wortlaut von § 1 Abs. 2 FlErwV hinausgehend angenommen, dass bereits die Ausweisung einer Windfläche im Regionalplan hierunter falle und damit das Wiederkaufsrecht der BVVG auslösen könne. Ergänzend führt das Gericht am Ende seiner Entscheidung aus, dass das Rückkaufsrecht „jedenfalls im verhältnismäßigen Rahmen“ ausgeübt werden könne und lässt damit offen, ob in einem Fall wie dem vorliegenden das Rückkaufrecht sich nur auf die für die windenergetische Nutzung benötigte Fläche beziehen würde.

Da weder Kläger noch Beklagte mit diesem ambivalenten Urteil zufrieden sein konnten, haben beide Parteien Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt.

4. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.09.2018 (Az. V ZR 12/17)

Der BGH hat nun das mit Spannung erwartete Urteil verkündet, das große Auswirkungen auf eine Vielzahl unter Beteiligung der BVVG geschlossener Verträge haben wird.

Kein Wiederkaufsrecht
Nach Einschätzung des BGH steht der BVVG im vorliegenden Fall kein Wiederkaufsrecht zu. Demnach entsteht dieses Recht nur dann, wenn die verbilligt erworbenen Flächen nachträglich für einen der in § 1 Abs. 1 S. 4 bis 6 FlErwV benannten Zwecke nutzbar werden, siehe auch § 12 Abs. 4 FlErwV. Anders als das Kammergericht nimmt der BGH in diesem Zusammenhang keine erweiternde Auslegung vor. Die Ausweisung einer Windfläche im Regionalplan stellt demnach keinen Fall dar, auf den § 1 Abs. 1 S. 4 bis 6 FlErwV entsprechend Anwendung findet. Damit entsteht das Wiederkaufsrecht nicht bei Windenergieanlagen, die als im Außenbereich privilegierte Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB errichtet werden.

Keine Einmal-Entschädigungszahlung
Der einheitlichen Feststellung der Vorinstanzen zur Unwirksamkeit der Klausel, die den Käufer zur Leistung einer Einmal-Entschädigung („Mehrerlösabführung“) verpflichtet, schließt sich der BGH ausdrücklich an. Damit besteht bzw. entsteht in derartigen Fällen keine Zahlungspflicht.

Kein Rücktrittsrecht (bedingt)
Zum Rücktrittsrecht führt der BGH aus, dass dieses nur entstehe, wenn wesentliche Teile der Kauffläche nicht mehr für landwirtschaftliche, sondern für windenergetische Zwecke verwendet werden. Dies sei hier nicht der Fall, da die für die 3 WEA benötigte Fläche (Stand- und Abstandsfläche) lediglich 1,41 % der verbilligt erworbenen Flächen ausmache. Wann jedoch die „Unwesentlichkeitsgrenze“ überschritten wird, lässt der BGH offen. Es bleibt zu hoffen, dass er hierzu in den Urteilsgründen nähere Ausführungen treffen wird.

5. Auswirkungen

Das BGH-Urteil entfaltet Relevanz nicht nur in der Rechtsbeziehung zwischen BVVG und Erwerber, sondern wird nach unserer Einschätzung insbesondere auch in der Dreierkonstellation BVVG – Erwerber – WEA-Betreiber aus den entsprechenden Dreiseitigen Gestattungsverträgen Rechte der Betroffenen auslösen. Das konkrete Vorgehen wird hierbei jeweils von der Vertragsgestaltung abhängen, insbesondere auch davon, ob bzw. inwieweit AGB-Recht Anwendung findet und in welcher Art und Weise in der betreffenden Dreiseitigen Vereinbarung auf die Regelungen im Kaufvertrag Bezug genommen worden ist. Auch die Verjährungsproblematik wird sich im Einzelfall oft stellen.

Angesichts der Höhe der geleisteten bzw. noch zu leistenden Zahlungen sollten Betroffene (Erwerber und WEA-Betreiber) die Rechtslage zu ihrem konkreten Vertragsverhältnis prüfen lassen, insbesondere mit Blick auf mögliche Rückforderungsansprüche bzw. das Entfallen von Zahlungspflichten.

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