Wir feiern die reformation.

Wir feiern in diesem jahre ein für einen sehr großen theil der Deutschen äußerst merkwürdiges fest, nämlich das jubelfest der ewig denkwürdigen kirchverbesserung. Man ist sehr darauf bedacht, dieses fest nicht allein auf die möglichste weise ausgezeichnet zu begehen, sondern es auch für die zukunft merkwürdig und folgenreich zu machen. Es sind deshalb bereits wichtige sachen im werke. […]

Aber wie wäre es, nicht nur zu feiern, sondern etwas bleibendes zu schaffen?

Aber wie wäre es, wenn das deutsche volk außer der frohen, vorübergehenden feier dieses festes, unter sich auch etwas zur erreichung obiger absichten thäte und etwa durch verbesserung in irgend einem zweige seines wissens, oder durch irgend eine bezeichnung seiner eigenthümlichen volkthümlichkeit das jubelfest ehrte und ihm ein allgemeines und bleibendes denkmal setzte, das alle vor augen hätten, das auf alle wirkte, das durchaus bleibend und unzerstörbar wäre?

Gewiß, theuersten landleute! nichts schickte sich besser zu dieser absicht, als die vorgeschlagene verbesserung unseres schriftthums, die wir auf die schicklichste weise von der welt an die jubelfeierlichkeit der reformation anreihen und ihr zu ehren mit der größten leichtigkeit und geschwindigkeit ausführen könnten. Denn schickt sich diese sache nicht besonders zur bezeichnung des reformationsjubiläums, da sie ihrer natur nach selbst reformatorisch ist? Könnte der große reformator selbst zugegen seyn; müßte er nicht seine größte billigung und zufriedenheit darüber zu erkennen geben, da er selbst so vieles für deutsches sprach- und schriftthum gethan hat? Wir können ihn und sein großes werk nicht besser ehren, als wenn wir in seinem sinne handeln.

Nichts schickte sich besser zu dieser absicht als die vorgeschlagene verbesserung unserer rechtschreibung, die ihrer natur nach selbst reformatorisch ist. Wir können den großen reformator nicht besser ehren, als wenn wir in seinem sinne handeln.

Wenn wir sofort die in beziehung auf das jubelfest erscheinenden schriften in der vereinfachten, von den überflüssigen großen buchstaben gereinigten schrift drucken lassen; wenn wir gleich mit diesem merkwürdigen jahre anfangen, unsere bürgerjugend von einer last und einem hindernisse ihrer bildung zu entbinden, in verweisung darauf, daß es im sinne und zum andenken der reformation geschehe; wenn wir, von einem geiste ergriffen, einen mehr als hundertjährigen grundlosen gebrauch ablegen und dadurch mehr schönheit, einfachheit und übereinstimmung in unser schriftthum bringen; haben wir dann nicht der großen begebenheit ein recht sichtbares und anständiges denkmal gesetzt? […]

Wenn das künftige jahrhundert die schätze unserer gelehrsamkeit würdigt und benutzt, dabei aber das ungewisse und ungeregelte umherschwanken unter den buchstaben und die so lange fortgeschleppte gewohnheit, unsere schrift mit großen hochbeinigen figuren heraus zu putzen – oder vielmehr zu entstellen – bewundert oder belächelt, so sagen es ihm die von diesem zeitraume an erscheinenden schriften: diese thorheit legte man ab, diese verbesserung ergriff man, um das dritte jubelfest der reformation allgemein denkwürdig und ausgezeichnet zu machen!

Dem künftigen jahrhundert sagen die von diesem zeitraume an erscheinenden schriften (z. b. das 1854 bis 1961 in kleinschreibung verfasste wörterbuch der brüder Grimm): diese verbesserung ergriff man, um das dritte jubelfest der reformation allgemein denkwürdig und ausgezeichnet zu machen!

Es wäre ein großes, wenn wir Luthern, wie man es sonst vorhatte, und wohl auch noch vorhat, durch sammlung ansehnlicher beiträge ein öffentliches denkmal setzten; es wäre etwas merkwürdiges, wenn wir zur auszeichnung des reformationsjubiläums berge abtrügen und wege ebneten; aber welchen aufwand, welche anstrengung kostete dieß? Und wenn auch die nächste umgebung diese wunderwerke vor augen hatte, mußten sich nicht die millionen der übrigen mit der trockenen, gar bald vergessenen beschreibung derselben begnügen? Wie viel ausgezeichneter ist die verbesserung unserer schrift, die keinen heller kostet, keine anstrengung und aufopferung nöthig macht, und doch allen zu allen zeiten ein sichtbares und merkwürdiges denkmal ist? Welch ein weit höherer sinn läge in ihr für uns? welche wichtige lehre für die nachwelt? Müßte nicht dem künftigen geschlechte, besonders um die zeit der wiederkehr dieses wichtigen festes, selbst aus unserer schrift die lehre entgegen tönen: thut auch Ihr nun desgleichen? Oder sollte je für menschen in der welt die zeit kommen, wo nichts mehr zu verbessern, nichts wichtiges mehr zu thun wäre? –

Und so hätten wir durch diesen selbst anscheinend kleinen schritt für die zukunft vielleicht zu entscheidendern schritten veranlassung und vorbild gegeben, eine betrachtung, die der sache, die an sich schon bedeutend genug ist, noch eine erhöhte wichtigkeit giebt!

Gewiß, ergreift diejenigen, die dieses lesen und etwas für die sache zu thun im stande sind, nur die hälfte des gefühls, das mich durchdringt, so ist der glückliche erfolg nicht zu bezweifeln, und indem ich die vorgehabte veränderung an eine so wichtige und große begebenheit binde, verschwindet in ihrem glanze, wie es billig und recht ist, zwar mein unbedeutender name; allein desto größer ist der triumpf für mein herz. – Möge doch daher sie sache guten eingang und kräftigen fortgang finden!

Zur auszeichnung des reformationsjubiläums könnte man unter großer anstrengung berge abtragen und wege ebnen, aber wie viel ausgezeichneter ist die verbesserung unserer schrift, die keinen heller kostet, keine anstrengung und aufopferung nöthig macht, und doch allen zu allen zeiten ein sichtbares und merkwürdiges denkmal ist. Müßte nicht dem künftigen geschlechte, besonders um die zeit der wiederkehr dieses wichtigen festes (z. b. 2017/18), selbst aus unserer schrift die lehre entgegen tönen: thut auch Ihr nun desgleichen?

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