Warum Jordanien? Geboren wurde die Idee durch die Teilnahme an einer Rallye vor fast zehn Jahren. Diese Rallye führte vom Allgäu nach Jordanien, wo durch den Verkauf der Autos als Ersatzteillager verschiedene Projekte zusammen mit dem Welternährungsprogramm (WFP) finanziert wurden. Die Hochschule Aalen nahm mit einem Team teil und begann damals Hilfsbedürftige mit Hörsystemen zu versorgen. Die Planungen hierzu begannen im Jahr 2008 zusammen mit jordanischen Helfern wie Sakher Al Fayez, der die Reisen bis heute betreut und alles Wesentliche in Jordanien organisiert.
Ausgesucht werden Orte, an denen überwiegend Menschen leben, die sich weder eine Krankenversicherung noch eine medizinische Versorgung leisten können. So führte die Reise in diesem Jahr von Amman, über Zarqa und Al-Mafraq im Norden bis nach Wadi Musa und Wadi Araba im Süden des Landes. „Es ist schon erschütternd, welche Armut hier zum Teil herrscht“, bemerkt Prof. Dr. Annette Limberger und ergänzt: „Trotzdem sind die Menschen bereit, uns ihr letztes Essen zu geben, um wieder besser hören zu können.“
Hörprobleme sind in Jordanien häufig. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen die klimatischen Bedingungen. Eine fast ganzjährige, trockene Hitze sorgt dafür, dass das Ohrschmalz sehr stark austrocknet und im Gehörgang festsitzt. Häufig werden zudem Wattestäbchen oder anderes Gerät verwendet, die das Ohrschmalz nur nach hinten Richtung Trommelfell schieben. Das Ohrschmalz und die Hitze sorgen für einen Wärmestau, in dem sich Bakterien vermehren, es kommt zu heftigen Ohrentzündungen. Ein wichtiges Anliegen ist, die Menschen darüber aufzuklären, dass die Verwendung von jeglichen Gerätschaften im Gehörgang sehr ungesund ist. Als weitere Ursache für Hörprobleme müssen häufig auch Verwandtenehen angesehen werden. Es kommt nicht selten vor, dass Cousine und Cousin ersten Grades heiraten und Kinder bekommen. Genetische Defekte werden so meist von zwei Seiten an die nächste Generation vererbt. Das Resultat sind häufige, sehr hochgradige Schwerhörigkeiten.
„Auch hier ist Aufklärung ein ganz wichtiges Standbein unserer Arbeit“, erklärt Annette Limberger. So kam unter anderem ein Großvater mit seinen fünf schwerhörigen Enkelsöhnen, um diese versorgen zu lassen. Hätte er für die Kinder die Hörgeräte kaufen müssen, so wäre das der komplette Verdienst von zwei Jahren gewesen. „Das ist für diese Familien schlicht unmöglich, also bleiben die Kinder meistens unversorgt und schlagen sich mehr schlecht als recht durchs Leben“, führt Annette Limberger aus. Das ist auch wieder ein Teil des Teufelskreises, denn wo soll ein schwerhöriger junger Mann oder eine junge Frau einen Partner oder Partnerin finden. Meist wird dann die Cousine oder der Cousin aus der Familie bestimmt.
Schwerhörigkeit frühzeitig bekämpfen: Cochlea-Implantate
Für manche kommen die Hörgeräte gar nicht mehr in Frage, da sie einfach zu schlecht hören, diese benötigen dann ein Cochlea-Implantat. Das ist ein Hörsystem, bei dem eine Elektrode in die Hörschnecke eingeführt wird. Der Reiz wird dabei über einen Sprachprozessor und das Implantat direkt auf den Hörnerv übertragen. Allerdings ist eine frühe Implantation für den Spracherwerb unbedingt notwendig. In Deutschland werden Kinder, die von Geburt an hochgradig bis an Taubheit grenzend schwerhörig sind, im Alter von etwa einem Jahr mit einem Cochlea Implantat versorgt. In Jordanien ist eine solch frühe Versorgung nicht gewährleistet, zumal sie nicht von der Krankenkasse abgedeckt wird.
In den letzten zehn Jahren wurde auf diesem Gebiet durch die Initiative viel erreicht. Hatte König Abdullah II. vor zehn Jahren noch einhundert Implantate verteilen lassen, so werden mittlerweile fast 500 pro Jahr implantiert. „Das ist zwar noch lange nicht ausreichend, doch die Richtung stimmt“, berichtet Annette Limberger. Neben der Versorgung werden auch Kontakte zu den örtlichen Universitäten und Hochschulen geknüpft, um die Ausbildung im Bereich der Audiologie voranzubringen. Ziel ist es, in diesen Einrichtungen in Kooperation mit der Hochschule Aalen einen Masterstudiengang Audiologie zu etablieren, der Absolventen und Absolventinnen dann auch berechtigt, sich niederzulassen. „Es gibt noch viel zu tun, daher werden wir uns auch weiter in der Region engagieren“, erklärt Annette Limberger.
Das Team finanziert sich über den Verein „SINN-voll helfen e.V.“, dessen Vorsitzende Annette Limberger ist. Aus Spenden werden Materialen beschafft, die zur Herstellung von Otoplastiken notwendig sind, aber auch Hörgeräte zugekauft, obwohl viele gespendete, gebrauchte Hörsysteme zum Einsatz kommen. Doch meist sind diese gespendeten Hörsysteme nicht so hochverstärkend, wie es für die besondere Klientel in Jordanien notwendig ist.
In Jordanien selbst wurde das Team von der Lamar-Foundation, einer Stiftung der Lamar-Holding, unterstützt. Diese Stiftung hat sich das Ziel gesetzt, die medizinische Versorgung und die Bildung im Nahen Osten zu verbessern.
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