Wer arbeitet künftig bei Kirche, Diakonie und Caritas, wenn es immer weniger Christen gibt? Für viele Teilnehmer überraschend deutlich fiel die Antwort bei einem ökumenischen Gespräch im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg aus.

Bisher schreiben Kirche, Diakonie und Caritas vor, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – abgesehen von Ausnahmen – einem Mitglied der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehören müssen. Dieser Grundsatz biete keine Gewähr mehr dafür, dass die richtigen Leute kommen, sagte Dr. Peter Beer, Generalvikar der Erzdiözese München und Freising. Das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das in eine ähnliche Richtung wies, sei deswegen nicht der „Untergang des Abendlandes“, sondern eine Chance zur Weiterentwicklung. Beer sieht Vielfalt als Bereicherung und nannte als Beispiel eine muslimische Erzieherin in einer Kindertagesstätte. Die Kirchen seien Teil der Welt. Sie dürfen sich laut Beer nicht abgrenzen, sondern müssen auch in ihrer Personalpolitik christliche Werte leben.

Statt traditioneller Leerformeln forderte er, dass die Institutionen als Ganzes für das christliche Profil Verantwortung tragen, nicht nur der einzelne Mitarbeiter. Deswegen müsse man wegkommen von Sanktionen zum Beispiel gegen geschiedene, wieder verheiratete Menschen und hin zur „verbindenden Idee“. Konkrete Motivation im Team sei wichtiger als eine allgemeine Verpflichtung. Loyalität erwartet er vor allem zur Sendung, die Welt zum Positiven zu verändern. Glaubwürdiges Handeln soll nach den Worten des Generalvikars Angepasstheit ersetzen.

Kirchenzugehörigkeit ist zu wenig

Kirchenzugehörigkeit sei dafür als Maßstab zu wenig. Nach einer authentischen Selbsteinschätzung könne auch ein schwuler, mit einem Mann verheirateter Krankenpfleger ein hervorragender Mitarbeiter sein. Deswegen sei eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts nötig.

Damit dürfte er beim Nürnberger Caritasdirektor Michael Schwarz und bei Dr. Mathias Hartmann, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Neuendettelsau, offene Türen eingerannt haben. „Es geht um Glaubwürdigkeit“, meinte Schwarz. Hartmann sagte, man müsse die Identität als christliche Organisation weiter entwickeln. Der Caritasverband Nürnberg und die Diakonie Neuendettelsau hatten gemeinsam mit dem Ethik Institut der Wilhelm Löhe Hochschule Fürth zu dem Gespräch eingeladen.

Dass dies ein schmerzhafter Prozess mit heftigen Diskussionen werden wird, vermuteten mehrere Teilnehmer der Diskussionsrunde, die vom stellvertretenden Chefredakteur des Evangelischen Pressedienstes in Bayern, Daniel Staffen-Quandt, moderiert wurde. Fragen nach einem Streikrecht im kirchlichen Bereich, nach einem Ausbau der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer und nach der Differenzierung von einem säkularen Humanismus müssen beantwortet werden. Im Blick der Öffentlichkeit werde inzwischen aber die traditionelle Loyalitätsverpflichtung zum Ärgernis, nicht der Verstoß dagegen, ergänzte Beer.

Bessere Perspektiven für Frauen

Bessere Perspektiven für Frauen forderte Eva Maria Welskop-Deffaa, Vorstand Sozial- und Fachpolitik des Deutschen Caritasverbands. Sowohl Haupt- als auch Ehrenamtliche seien profilbildend, sagte sie weiter und im kirchlichen Raum müsse die Lebensplanung der Mitarbeitenden besser hinsichtlich der Arbeitszeiten berücksichtigt werden. Auch eine angemessene Bezahlung, eine klare Unterscheidbarkeit von privaten Anbietern, eine „christliche Beheimatung“ und digitale Kompetenzen für eine hybride Arbeitswelt seien wichtig.
Als „Parforce-Ritt“ empfand Michael Bammessel, Präsident des Diakonischen Werks Bayern, den Vortrag von Generalvikar Beer. Nicht mehr „Woher kommst du?“, sei die Frage, sondern „Wohin wollen wir zusammen gehen?“ Das funktioniere aber nur, wenn es genug Persönlichkeiten gebe, die das Profil verkörpern. In diesem Zusammenhang unterstrich Bammessel die Bedeutung des Gebets.

Pastor Uwe Mletzko, Theologischer Geschäftsführer der DIAKOVERE gGmbh in Hannover, rief dazu auf, Klarheit zu schaffen, nicht mehr zu heucheln und keine Umwege mehr zu fahren. Veränderungsprozesse seien ebenso dringend notwendig wie eine klare Werthaltung, die allen Mitarbeitenden vermittelt wird.

Keine einheitliche Meinung gab es dazu, ob zumindest Führungskräfte einer christlichen Kirche angehören müssen.

Die Diskussion werde also weitergehen, meinte Prof. Dr. Dr. Elmar Nass von der Wilhelm Löhe Hochschule in Fürth zum Abschluss. Über viele Begriffe müsse man neu nachdenken, dabei aber immer unterscheidbar bleiben.

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